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1 March 2016 Book review
Erwin Bergmeier
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Abstract

Pfadenhauer J. S. & Klötzli F. A.: Vegetation der Erde. Grundlagen, Ökologie, Verbreitung. — Berlin & Heidelberg: Springer-Verlag, 2014. — ISBN 978-3-642-41949-2 (Hardcover), ISBN 978-3-642-41950-8 (eBook). — xiv + 643pp. — Price: EUR 79,99 (Hardcover), EUR 62,99 (eBook).

Citation: Bergmeier E. 2016: Book review: Pfadenhauer J. S. & Klötzli F. A.: Vegetation der Erde. Grundlagen, Ökologie, Verbreitung. — Willdenowia 46: 37–38. doi: http://dx.doi.org/10.3372/wi.46.46104

Version of record first published online on 11 March 2016 ahead of inclusion in April 2016 issue.

Beim Lesen und Betrachten der „Vegetation der Erde“ von Jörg Pfadenhauer und Frank Klötzli wird man unweigerlich von der Begeisterung erfasst, die die beiden Emeriti aus München bzw. Zürich beim Verfassen dieses schön ausgestatteten und äußerst lesbar geschriebenen Werkes gespürt haben müssen. In der guten Tradition deutschsprachiger Autoren von pflanzengeographischen Lehr- und Übersichtswerken mit globalem Anspruch wie H. Walter, S.-W. Breckle, J. Schultz und F.-G. Schroeder, doch mit unverkennbar eigener „Handschrift“, spannen sie den Rahmen von den Tropen zu den polaren Gebieten, Zone für Zone in ausführlichen Buchkapiteln. Der Untertitel „Grundlagen, Ökologie, Verbreitung“ gibt die Schwerpunkte vor: Ökologische und chorologische Aspekte der Vegetation werden gleichberechtigt behandelt, damit sind erstere gewiss facettenreicher vertreten als in vergleichbaren Werken — ein Verdienst Pfadenhauers und seiner durch jahrzehntelange Forschungstätigkeit auf verschiedenen Kontinenten erworbenen Kompetenz.

Das erste, das Grundlagenkapitel, gibt auf 80 Seiten pflanzengeographisch-evolutive, abiotisch-ökologische und pflanzenphysiognomisch-funktionelle Basisinformationen. Es hat nicht den Anspruch einer Einführung in die Allgemeine Geobotanik, sondern gibt einen vorbereitenden Überblick über die folgenden sieben Kapitel zur Pflanzendecke der einzelnen Vegetationszonen. Diese behandeln in wünschenswerter Detailliertheit auf 70, 47, 57, 90, 127, 37 bzw. 30 Seiten die immerfeuchte und die sommerfeuchte tropische Zone, die tropischsubtropischen Trockengebiete, die warm-, kühl- und kalt-gemäßigte Zone sowie die polare Zone. Darauf folgen eine 70 Seiten und wohl mehr als 1600 Referenzen umfassende Zusammenstellung der Literaturquellen, ein Stichwortverzeichnis sowie eine Liste der im Text genannten Gattungen und Arten (deren Nomenklatur sich bei den Phanerogamen an  www.theplantlist.org orientiert und deren Zuordnung zu Pflanzenfamilien meist Mabberleys „Plant Book“ von 2008 folgt). Im Vordergrund steht immer die natürliche terrestrische Vegetation (und wie sie vom Menschen beeinflusst ist); die anthropogene Vegetation und die Landnutzung werden fallweise mehr oder weniger knapp erörtert.

Die Klimazonen, nach denen das Buch gegliedert ist, lehnen sich an die „Ökozonen“ in Schultz (2008; Die Ökozonen der Erde. 4., Auflage) an. Tabelle 1–9 nennt zusätzlich die entsprechenden Klimatypen und nach Walter & Breckle (1999; Vegetation und Klimazonen, 7. Auflage) die Zonobiome, ein Begriff, der im Buch wegen seiner Mehrdeutigkeit sonst vermieden wird. Hier wäre eine zusätzliche Spalte mit den Zonen- und Formationsbegriffen aus Schroeder (1998; Lehrbuch der Pflanzengeographie) wünschenswert gewesen, zumal Pfadenhauer & Klötzli den Begriff „boreal“ etwa wie in Schroeders Werk, den Begriff „nemoral“ jedoch etwas weiter fassen, nämlich auch südhemisphärisch, dagegen die Begriffe „meridional“ und „austral“ gar nicht verwenden. Der eine oder andere Aspekt wird nicht allen Lesern überzeugend erscheinen, so dem Rezensenten die „nemorale“ Einstufung des „Valdivianischen Lorbeerwaldes“ und anderer immergrüner Nothofagus-Wälder. Schroeders (1998) Lehrmeinung, wonach eine nemorale Zone auf der Südhalbkugel (ebenso wie eine boreale) fehle und in einer „australen Zone“ aufgehe, wird nicht diskutiert.

Der hohe verlegerische Aufwand für Redaktion und Lektorat haben sich gelohnt. Die durchweg farbigen Seiten sind gut lesbar zweispaltig, Schlüsselbegriffe sind fett gedruckt. Die Kapitel sind übersichtlich mehrstufig gegliedert, in der ersten Ordnung oft, aber nicht immer konsistent, in Teilzonen, Formationen, azonale und Hochgebirgsvegetation. Tabellen und Grafiken sowie zahlreiche Fotos von Vegetationstypen und Pflanzen sind üppig über die Kapitel verteilt. Ein prachtvolles Buch. Ein weiteres lehrbuchdidaktisches Standardelement sind die „Kästen“, meist mit eigenen Abbildungen und Tabellen, in denen spezielle Themen angesprochen werden, die im Kontext der Kapitel nach Ansicht der Autoren gesondert erörtert zu werden verdienen. Dabei werden so unterschiedliche Themen wie die Entstehung der Grasländer der Erde, Blatt-Funktionsmerkmale, ökologische Koexistenzmechanismen wie der Gras-Baum-Antagonismus, die Aizoaceae, das „Polylepis-Problem“, tropisch-subtropische Kulturpflanzen, die Floren- und Vegetationsgeschichte Patagoniens, die Diskussion um eine südhemisphärische „antiboreale“ Zone und vieles andere mehr thematisiert. Selten hat man „Kästen“ als so zweckmäßig empfunden wie in der „Vegetation der Erde“. Leider fehlt ein Verzeichnis der insgesamt 51 Kästen.

Um Redundanzen zu vermeiden, werden einige Formationen zonenübergreifend gebündelt abgehandelt, so die Salzmarschen und Küstendünen der kühl-gemäßigten Zone im Kontext nicht dieser, sondern der subtropischen Zone. Die oreonemorale und die oreoboreale Stufe werden zusammen betrachtet, Moore der nemoralen und der borealen Zone dagegen getrennt.

Natürlich erwarten die Leser der „Vegetation der Erde“ eine Karte der natürlichen Vegetation der Erde. Das Werk bietet eine eigens entworfene, die denn auch gleich zweimal (als Abbildung 1–30 und auf der hinteren Umschlaginnenseite, jedoch leider nicht als großformatige eingefaltete Karte) mit 30 Vegetationseinheiten erscheint, kompiliert und aggregiert aus regionalen Detailkarten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von regionalen Vegetationskarten im mittleren Maßstab. Die 30 Vegetationseinheiten entsprechen im wesentlichen Zonobiomen, den zonalen Pflanzenformationen der Erde gemäß Tabelle 1–12, wobei in der Vegetationskarte — im Gegensatz zur Tabelle — vier Savannentypen getrennt dargestellt sind.

Das Buch wurde offenbar gut lektoriert, ist angesichts der komplexen und aufwändigen Gestaltung und der Fülle an Pflanzennamen und Fachtermini erfreulich arm an formalen und inhaltlichen Fehlern. Dem Rezensenten fielen Ungenauigkeiten in Abb. 1–16 auf, die nicht skalenbedingt sind, so die südwestlichen und südöstlichen Grenzen der südeurosibirischen Florenregion, die von der — korrekten — Grafik in Kasten 1–4 abweichen. In Abbildung 6–44 ist der südanatolische Gebirgszug des Taurus als „Atlas“ beschriftet. Der Olymp ist kein Beispiel eines teilariden Gebirges in aridem Umland (Typ B; Seite 74), sondern ein vollhumides „Typ-A“-Gebirge ohne untere (hygrische) Waldgrenze. Auf Seite 282 ist von „… Bäumen wie … Phytolacca dioica …“ die Rede. Die Samen von Calicotome, Cistus und Lavandula sind nicht anemochor (Seite 294), und die zweite Nennung von Calicotome spinosa auf Seite 310 bezieht sich auf C. villosa. Im Titel der Abbildung 5–37 („Beispiele für die Vegetation von subtropischen Salzwasser-Feuchtgebieten“) fehlt der Einschub „… und nemoralen …“ Corynephorus canescens, das Silbergras, ist ein Hemikryptophyt, kein Therophyt (Seite 337). Die Kästen 5–7 bis 5–9 sind als 5–8 bis 5–10 falsch nummeriert. Die Artenzahlen von Malus, Platanus, Prunus, Quercus und Sorbus für Europa sind anscheinend unkritisch in Tabelle 6–2 übernommen worden. Cynodon dactylon ist vermutlich kein Anökophyt (wie auf Seite 402 angegeben), ebenso zweifelhaft ist dieses Etikett für Urtica dioica und Capsella bursa-pastoris. Im Rahmen einer neuen Auflage können diese Punkte leicht korrigiert werden; ebenso sollten Begriffe aus dem Text wie Anökophyt, Cerradão, Hämatit, Kratowinen, mesohemerob, polyhemerob, Puna, Schwarzwasserfluss, Terra rossa, Várzea und Zonobiom ins Stichwortverzeichnis eingefügt werden.

Solche Kritik im Detail muss jedoch verstummen angesichts der Leistung insgesamt. Den Autoren ist zu ihrem außerordentlich gut gelungenen, aktuellen, zeitgemäßen, fundierten und umfassenden Lehrbuch und Übersichtswerk zur Vegetation der Erde zu gratulieren. Das prächtige Buch ist Lehrern, Dozenten und Studierenden, besonders der Biologie, Ökologie, Geographie sowie der Forstwissenschaft und des Naturschutzes, aber auch naturkundlich interessierten Reisenden uneingeschränkt zu empfehlen. Den Rezensenten hat es mit seinen zahlreichen Grafiken, Tabellen, Hinweisen und Stichworten angeregt, seine geobotanischen Vorlesungen an nicht wenigen Stellen anzureichern und ein paar neue Schwerpunkte einzufügen. Doch wo nur stattdessen an anderer Stelle kürzen…?

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Erwin Bergmeier "Book review," Willdenowia 46(1), 37-38, (1 March 2016). https://doi.org/10.3372/wi.46.46104
Published: 1 March 2016
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